Wie viel konstruktives Feedback erhalten Schüler:innen?
Betrachten wir die Arbeitszeit von Lehrpersonen, dann umfasst sie folgende Bereiche:
- Vorbereitung des Unterrichts
- Durchführung des Unterrichts
- Korrekturen und Feedback
- Pädagogische Begleitung von Klassen und Lernenden
- administrative Arbeiten
Je nach Schulart steht für Korrekturen und Feedback unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung – aber die Zeit pro Lehrperson ist mehr oder weniger fixiert. Die entscheidende Frage ist nun, wie gross der Anteil des konstruktiven Feedbacks ist, das Lehrpersonen in dieser Zeit Lernenden geben können.
Mit konstruktiv meine ich Hinweise, die Schüler:innen helfen, ihr Lernen zu verbessern, fachliche, persönliche oder methodische Fortschritte zu machen, sich zu entwickeln. Oft wird hier auch von formativem Feedback gesprochen (eigentlich sollte alles Feedback formativ sein).
Lehrpersonen verbrauchen die ihnen zur Verfügung stehende Zeit leider oft damit, Fehler zu korrigieren oder Bewertungen rechtlich abzusichern. Sie sehen ein, dass konstruktive Rückmeldungen wichtig und richtig wären, haben aber dafür oft nicht die nötigen Ressourcen. Sich von Beurteilung und Noten zu lösen (ein Prozess, der sich Ungrading nennt), ist auch deshalb wichtig, weil diese Ressourcen so frei werden. Wer also weniger Fehler korrigiert und weniger darauf achtet, Noten so zu setzen, dass die Fiktion aufrecht erhalten wird, sie seien objektive Messwerte, erhält Zeit für konstruktives Feedback.
Es hilft, hier die Sicht der Lernenden einzunehmen und mal über eine Woche oder ein Semester zu betrachten, wie viele konstruktive Rückmeldungen sie erhalten (und wie viele Korrekturen mit geringem Wert und wie viele Bewertungen). Schulen sollten daran arbeiten, den Anteil an wirksamem, konstruktivem Feedback zu erhöhen. Der direkte Weg dazu besteht darin, die Zahl der Prüfungen drastisch zu reduzieren und Noten als bürokratische Pflicht, nicht als entscheidenden Fokus der schulischen Arbeit zu betrachten.