Wie unterscheiden sich Prüfungsaufgaben von Unterrichtsaufgaben?

Kürzlich habe ich mich kritisch mit dem Format »Aufgabe« als Grundlage schulischen Arbeitens auseinandergesetzt – was aber nichts daran ändert, dass aktuell Unterrichts- und Prüfungskultur an Aufgaben orientiert ist. Im aktuellen Newsletter beschäftige ich mich mit der Frage, wie sich Aufgaben im Unterricht zu Aufgaben bei Prüfungen verhalten bzw. verhalten sollten.

Ein positives Beispiel

Im Mathematikunterricht der Grundschule kommt im Kanton Zürich das Lehrmittel »Mathematik Primarstufe« zum Einsatz. Im Band der 5. Klasse findet sich zum Thema Proportionalität folgende Aufgabe:

In einer Sammlung von möglichen Prüfungsaufgaben, die viele Lehrpersonen im Kanton Zürich nutzen, steht dann folgende Aufgabe zum selben Thema:  

Die Prüfungsaufgaben unterscheiden sich in mehreren Hinsichten nicht von der Aufgabe aus dem Übungsbuch:

  1. Die Aufgabenstellung ist identisch.
  2. Die Darstellung ist ähnlich (das Gewicht der Birnen ist nicht visualisiert, genau wie bei den Karotten – während die Anzahl (Rosen, Joghurt etc.) bei anderen Aufgaben im Buch ebenfalls grafisch repräsentiert wird.
  3. Der Schwierigkeitsgrad der Berechnungen ist vergleichbar, die Prüfungsaufgaben sind wohl sogar etwas leichter.
  4. In der Prüfung werden vier Aufgaben kombiniert. Erwartet wird also eine gewisse Routine im Umgang mit diesen Aufgaben, welche durch Übungsphasen im Unterricht oder bei Hausaufgaben wohl aufgebaut worden ist.

Lernzielüberprüfung

Geht es bei Prüfungen darum zu sehen, ob Schüler*innen Lernziele erreicht haben, dann dürften diese Merkmale gut Hinweise liefern, wie Prüfungsaufgaben gestaltet werden sollten:

  1. Aufgabenstellungen verwenden, die Schüler*innen kennen.
  2. Darstellungen verwenden, mit denen Schüler*innen vertraut sind.
  3. Schwierigkeitsgrad entspricht dem Schwierigkeitsgrad von Übungsaufgaben.
  4. Kombination von Bekanntem ist denkbar.

Wo entsteht ein Problem?

In gewissen Prüfungskulturen sind Schüler*innen von Aufgaben überrascht, mit denen sie geprüft werden. Sie finden Darstellungen, Fragestellungen und Komplexitäten vor, die sie nicht kennen und die sie unter dem Druck der Prüfung verwirren.

Das hat oft mit der Vorstellung zu tun, Prüfungen müssten »streuen«, d.h. die Ergebnisse müssten einer Normalverteilung entsprechen. Wenn Schüler*innen das, was geprüft wird, seriös üben können, ist nicht damit zu rechnen, dass viele ungenügende Resultate erbringen. Deshalb greifen Lehrkräfte zu schwierigeren Aufgaben, um gerade in der Prüfungssituation Lernende zu überfordern.

Qualitätsmerkmal guter Prüfungen: Sie entspricht den Erwartungen

Wenn Schüler*innen geprüft werden müssen, geschieht das im guten Fall so, dass die Aufgaben ihren Erwartungen entsprechen. Sie werden nicht auf dem falschen Fuß erwischt, nicht überfordert: Sondern sie können zeigen, dass sie das, was sie geübt haben, können.

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