Alternativen zu Noten im Test

Beurteilungen mit Noten sind problematisch. Das ist nicht meine Meinung, das ist wissenschaftlicher Konsens. Die Schwierigkeiten können knapp so zusammengefasst werden:

  1. Noten sind scheingenau.
    Sie geben vor, Leistungen präzis zu messen (weil sie in Zahlenform daherkommen), tun das aber nicht. Wenn sie überhaupt etwas messen, tun sie das enorm ungenau. Nur: Das sieht man ihnen nicht an.
  2. Noten blicken zurück und verdeckten Potentiale.
    Noten verdichten und verrechnen Leistungsmessungen einer vergangenen Periode. Damit vermischen sie Fehler mit Qualitäten, Schwächen mit Stärken. Heraus kommt eine Zahl, die nicht ausdrücken kann, was eine Schülerin oder ein Schülerin kann oder wo eine Entwicklungsmöglichkeit besteht.
  3. Noten erzwingen Vergleiche.
    Noten messen Lernende nicht nur an ihren eigenen Leistungen, sondern setzen diese in ein Verhältnis zu den Leistungen Gleichaltriger.
  4. Noten setzen falsche und widersprüchliche Anreize.
    Noten lenken vom Lernen ab. Sie stützen nicht nachhaltige Lernprozesse, sondern schaffen Anreize für kurzfristiges, oberflächliches Lernen und Arbeiten. Lehrpersonen, die noch an Noten glauben, sind meist davon überzeugt, dass sie damit Verbindlichkeiten schaffen, die fürs Lernen wichtig sind. Das Gegenteil ist der Fall.
  5. Noten lenken den Blick auf Defizite und frustrieren deshalb Lernende und Lehrende.
    Wer geprüft wird oder Prüfungen korrigiert, sieht Fehler. Sie führen zu Abzügen und schlechten Bewertungen. Dabei geht vergessen, was Lernende können, was sie geleistet haben, wo sie Stärken haben. Die Frustration von Noten rührt daher, dass sie einen schlechten Umgang mit Fehlern und Leistungen darstellen.
  6. Noten sind normalverteilt – sie machen fast alle mittelmäßig.
    Noten sind an eine Sozialnorm gebunden. Lehrpersonen orientieren sich daran, dass Noten »streuen« sollten. Damit meinen sie implizit eine Normalverteilung mit wenig guten, wenig schlechten und vielen mittelmäßigen Noten. Diese Vorstellung bedeutet nicht nur, dass gute Noten nur möglich sind, wenn andere schlechte Noten haben – sie führt auch dazu, dass eine Lerngruppe als ganze nie gute Leistungen erbringen kann, sondern halt nur mittelmäßige.

Wenn ich diese Kritik vortrage, höre ich als Antwort häufig, dass diese Probleme auch Alternativen betreffen. Das stimmt – nur ist das kein Grund, an Noten festzuhalten. Die 6 erwähnten Probleme diskutiere ich am Beispiel von Alternativen zu Noten, die ebenfalls eine Bewertung vornehmen. Sobald man die Tabelle mit einer Rückmeldungsform ohne Bewertung ausfüllt, merkt man: Die Probleme verschwinden wie von Zauberhand…   

Alternative scheingenau Rückblick Vergleich Fehlanreize Defizite Normalverteilung
Farben, Emojis etc. (x) x x (x) x (x)
verbale Bewertungen x (x) (x) (x)
pass/fail
(evtl. excell)
x (x) x (x) (x)
Kompetenz-Raster (x) (x)

Die letzte Form der Bewertung, die Kompetenzraster, habe ich hier vorgestellt. Aus den hier genannten Gründen überzeugt sie mich so, dass ich ab dem nächsten Schuljahr so bewerten werde. Die Zeugnisnote leite ich – weil ich muss – direkt aus einem Kompetenzraster ab.

Subscribe to Beurteilung & Unterricht

Don’t miss out on the latest issues. Sign up now to get access to the library of members-only issues.
jamie@example.com
Subscribe
Mastodon