Noten sind wie kaputte Thermometer
Wären Noten Thermometer, dann wären sie kaputt. So kaputt, dass sie nicht konstant 3 Grad zu viel oder zu wenig anzeigen, sondern um eine unbekannte Gradzahl nach oben oder unten abweichen.
Nur: Man sieht ihnen das nicht an. Das abgebildete Thermometer sieht so aus, als würde es 19 Grad messen. In unserem Bild kann es zufällig richtig liegen – die Temperatur kann aber auch 29, 23, 7 oder 15 Grad betragen. Wir wissen es nicht, weil das Thermometer nur genau aussieht, aber komplett kaputt ist. Noten messen nicht die Leistung von Schüler*innen (oder ihre Fähigkeiten).
In einer großen Meta-Studie zu Noten heißt es denn auch:
Although measurement experts and professional developers may wish grades were unadulterated measures of what students have learned and are able to do, strong evidence indicates that they are not. (835)
Kurz: Menschen, die ein kaputtes Thermometer verwenden, wünschen sich, es würde die Temperatur messen, nur tut es das nicht. Mehr noch: Das Thermometer passt sich an die Vorstellungen von Menschen an. Es ist so kaputt, dass es nicht objektiv misst, was die Temperatur ist, sondern sich davon beeinflussen lässt, was die Wunschtemperatur von Menschen ist.
Was das Thermometer aber kann, ist eine Angabe machen, wie die Messung später ausfallen wird. Wenn das Thermometer heute 19 Grad zeigt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es das auch morgen tut. Noch einmal die Meta-Studie:
This quality of graded achievement as a multidimensional measure of success in school may be what makes grades better predictors of future success in school than tested achievement. (834)
Das heißt: Noten sind Ausdruck von Schulerfolg und können diesen deshalb auch gut voraussagen. Noten messen oft, was Lehrpersonen wertschätzen: Motivation, Aufmerksamkeit, Anstrengung. Weil sie ihre Urteile darauf abstützen, werden zukünftige Urteile das ebenfalls reproduzieren. Und weiterhin nicht zeigen, was eine Schülerin oder ein Schüler geleistet hat oder kann.