Leistungen wahrnehmen, würdigen und mit Schüler:innen darüber reden

Kürzlich habe ich auf einem Podium über die Probleme der Notengebung gesprochen. Eine Kollegin stellte dabei eine Frage, die häufig auftaucht: Wie stellt man ohne Noten sicher, dass Schüler:innen Leistungen erbringen?

Die ohnehin sehr schräge Vorstellung, es gäbe zwischen Lernen und Leisten einen Unterschied, wird noch absurder, wenn man sich vorstellt, Noten würden dabei helfen, Leistungen einzufordern oder zu sichern. Noten sind kein Element einer sinnvollen Leistungskultur, was sich schon daran zeigt, dass Menschen, die ausserhalb der Schule Leistungen erbringen, dafür keine Noten erhalten müssen.

Warum eigentlich nicht? Weil sie und andere in der Lage sind, diese Leistungen wahrzunehmen und zu würdigen. Es gibt eine Sprache für die Leistungen, man spricht über sie und kann deutlich machen, worin die Leistung besteht, was sie bedeutet. Noten erleichtern das nicht, sondern sie erschweren es. Sie ersetzen die Orientierung an Leistungen durch eine Orientierung an abstrakten Zahlen. Viele gute Schüler:innen bilden sich ein, gute Noten seien eine Leistung – sie verlernen gerade durch den Erfolg im Notensystem einzuschätzen, was sie eigentlich können und warum das wichtig ist.

Wer sich um Leistungen Sorgen macht, sollte Leistungen einfordern. Erklären, warum sie wichtig sind, Schüler:innen Feedback geben und ihnen zeigen, was es braucht, damit sie Leistungen erbringen können. Noten helfen auf diesem Schritt nicht. Die Mehrheit der Schüler:innen hat mittelmäßige oder schlechte Noten. Diese Kinder und Jugendlichen haben nicht den Eindruck, etwas zu leisten, sie kommen einfach durch. Gerade wenn Noten 'reichen', sind Menschen oft bereit, Leistungen komplett zu verweigern: Sie 'lernen' nicht mehr auf eine Prüfung, wenn sie am Notenschnitt nichts ändern kann.

Lösen sich Schulen von der Beurteilung durch Ziffern, schaffen sie Freiräume, um Leistungen wahrzunehmen, zu beschreiben – und sie auch zu feiern. Schüler:innen sollten Stolz auf ihre Leistungen empfinden können, immer wieder. Noten, die entlang einer Normalverteilung künstliche Vergleiche anstellen, verhindern das systematisch.

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