Wie können Prüfungen mit Kompetenzrastern verbunden werden?

Die Grundidee von Kompetenzrastern ist eine einfache: Vor einer Unterrichtseinheit überlegen sich Lehrpersonen (unter Umständen gemeinsam mit Schüler:innen), welche Kompetenzen Lernende im Rahmen dieser Einheit entwickeln, vertiefen oder nachweisen können. Daraus erstellen sie eine Liste mit relevanten Kompetenzen. Diese Liste sollte einerseits vollständig sein, so dass alle Fertigkeiten, die wichtig sind, darin erfasst sind, andererseits sollte sie übersichtlich gehalten werden und Lernenden die nötige Orientierung ermöglichen.

Ich habe schon ausführlich beschrieben, wie ich Kompetenzraster in meinem Unterricht einsetze. Wenn wir nun ein einfaches Beispiel nehmen, dann könnte ein Kompetenzraster für ein TikTok-Video wie folgt aussehen:

  1. Idee für passenden Content finden.
  2. Den Content sprachlich nachvollziehbar präsentieren.
  3. Den Content visuell ansprechend umsetzen.
  4. Bild und Ton für das Video in ansprechender Qualität aufnehmen.
  5. Das Video so schneiden und editieren, dass es bei TikTok hochgeladen werden kann.
  6. Korrekte und hilfreiche Untertitel erstellen.
  7. Das Video verschlagworten und betiteln.
  8. Den Beitrag zum richtigen Zeitpunkt veröffentlichen.

(Über einzelne Formulierungen und Ergänzungen oder Streichungen kann man selbstverständlich immer diskutieren – die Kompetenzraster können auch im Laufe der Arbeit mit den Schüler:innen angepasst werden.)

Die Grundidee ist nun: Die Schüler:innen erhalten viele Gelegenheiten, diese Kompetenzen nachzuweisen. In diesem Beispiel ist es sinnvoll, mit Lernprodukten zu arbeiten – die Lernenden zeigen, dass sie können, was sie können sollten, indem sie es machen und reflektieren, was sie gemacht haben.

Nachweise sind aber nicht immer ganz einfach zu lösen. Gleichzeitig erfordern viele schulische Settings Prüfungssituationen. In der Arbeit mit Kompetenzrastern können Prüfungen als Möglichkeiten verstanden werden, in denen Schüler:innen Kompetenzen nachweisen. Ein befreundeter Deutschlehrer hat Schüler:innen kürzlich einen Text vorgelegt und das Kompetenzraster abgedruckt. Die Prüfung bestand darin, dass die Schüler:innen auf einem Blatt Papier so viele Kompetenzen vom Raster nachweisen konnten, wie es für sie in dieser Zeit möglich war.

Beim TikTok-Beispiel könnte nun eine Prüfung darin bestehen, dass Schüler:innen Kompetenz 6. nachweisen, indem sie zu einem konkreten Video zu einem fixierten Punkt Untertitel erstellen. Diese Untertitel können kann auch mit Kriterien beurteilt werden, das Ergebnis der Prüfung wäre dann aber lediglich der Nachweise (bzw. der Noch-Nicht-Nachweis) dieser Kompetenz. Im Idealfall wäre den Schüler:innen klar, was ein Nachweis ist und was nicht ausreicht.

Grundsätzlich können auch kleine Aufgaben in (digitalen) Test-Settings dazu dienen, Kompetenzen nachweisen zu lassen. Die Kompetenz 7. liesse sich problemlos so nachweisen: Die Lehrperson zeigt zwei, drei Videos – die Schüler:innen verschlagworten und betiteln sie auf einem Blatt Papier oder in einer Prüfungs-App.

Der Unterschied zu traditionellen Prüfungen besteht in zwei grundsätzlichen Aspekten:

Kein Score, kein Vergleich -> genauere Prüfungen
Nachweise erfolgen nicht über Zahlenwerte, sondern sind halt wirklich Nachweise, wie bei der Seepferdchen-Prüfung. Punkte oder Noten verschleiern oft, dass Lehrenden nicht klar ist, welche Kompetenzen genau geprüft werden. An die Stelle präziser Kompetenzbeschreibungen rückt dann der soziale Vergleich. Insofern ist eine Prüfung mit Kompetenzraster fairer und genauer; auch deshalb, weil Nachweise nicht verrechnet werden können wie Noten.

Keine summativen, abschliessenden Ergebnisse
Das schlechteste Resultat einer KR-Prüfung besteht darin, dass eine Kompetenz noch nicht nachgewiesen ist. Wenn Schüler:innen diese Kompetenzen erlernen (wollen), dann erhalten sie weitere Chancen für Nachweise.

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