Was messen Noten?

Eine Messung ist das Ausführen von geplanten Tätigkeiten zu einer quantitativen Aussage über eine Messgröße durch Vergleich mit einer Einheit.

Das sagt DIN 1319. Die Fragen, die sich in Bezug auf Noten stellt, ist darauf bezogen:

  • Sind Noten eine quantitative Aussage über eine Messgröße?
  • Welche Größe wird genau gemessen?

In den Antworten auf diese nicht ganz ernst gemeinte Umfrage finden sich zwei Aussagen von Fachpersonen, welche einen vertieften Zugang ermöglichen.

Oliver Dickhäuser hielt fest, dass Noten »Leistung« messen sollen, im Sinne von »Performanz«.

Wenn wir davon ausgehen, dass das so ist, dann muss geklärt werden, was Leistung meint. Das hat Benedikt Wisniewski differenziert:

Noten messen gar nichts. Personen, die schulische Leistungen erheben, messen ein komplex determiniertes Konstrukt. Modell dafür findet sich bei Helmke & Schrader (2006).

Damit ist die Frage eigentlich beantwortet: Noten messen schulische Leistungen, psychologisch verstanden als Handlungsziel. Eine Schülerin lernt Vokabeln und hat das Ziel, bei der Prüfung möglichst viele davon korrekt schreiben zu können. Die Lehrperson misst mit einer Note die Erreichung dieses Ziels.  

Die Komplexität der Messfrage ergibt sich nun daraus, dass Leistungen unter enorm vielen Rahmenbedingungen erbracht werden, wie das oben abgebildete Modell zeigt. Noten sind beeinflusst von Klassen, von Lehrpersonen, von psychologischen Merkmalen, Eltern, dem Unterricht etc.

Mein Fazit wäre zugespitzt:

Noten sollen Leistung messen, sie messen aber gar nichts.

Das zeigt sich auch, wenn man zurück zur Vorstellung einer Messung geht: Messungen erfordern unter anderem Vergleichbarkeit – es muss klar sein, wann zwei Messgrössen gleich sind und wann die eine größer als die andere ist. Das ist bei Noten trivialerweise nicht der Fall, gerade weil sie durch so viele Faktoren beeinflusst werden.

Ein einfaches Beispiel dafür ist der Big-Fish-Little-Pond-Effekt.

Dickhäuser und Wisniewski sehen das anders (vgl. z.B. ihre Tweets hier und hier). Oliver Dickhäuser formuliert einen hilfreichen Vergleich:

Hier sieht man die Position, die man zu Noten einnehmen könnte: Wie z.B. eine Ärztin mit einer Waage das Gewicht eines Patienten messen kann, kann eine Lehrperson mit einer Note die Leistung einer Schülerin messen.

Ich würde mich von dieser Position abgrenzen: Wer mit Noten misst, misst ungenau. Es gibt keine genauen Messungen von Leistungen. Noten sind nicht objektiv, nicht reliabel und nicht valide.

Das ist hier aber nicht der springende Punkt: Eine Ärztin würde die Messung des Gewichts immer in Bezug zu Körpergröße, Blutwerten etc. setzen. Erst dann würde sie eine Diagnose abgeben, ein Urteil fällen. Das Gewicht allein enthält keine Information über eine Person oder ihre Gesundheit. So ist es bei Noten auch.  

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