Das Trilemma von Prüfungen in Zeiten der Digitalität

Letzte Woche habe ich am Germanistiktag in Basel an einer Podiumsdiskussion teilgenommen. Wir haben über Prüfungen diskutiert – dabei ist mir bewusst geworden, dass wir es aktuell mit einem Trilemma zu tun haben: Es gibt drei Möglichkeiten, von den alle problembehaftet sind.

Grundsätzlich geht es darum, eine faire Leistungsfeststellung durchzuführen, während Lernende grundsätzliche auf digitale Arbeitsmethoden, digitales Wissensmanagement, digitale Hilfsmittel und eine Kultur der Digitalität zurückgreifen können.

Die drei Möglichkeiten, die alle nicht zufriedenstellend sind, können wie folgt umrissen werden:

  1. Beschränkungen
    Prüfungen mit Stift und Papier (»pen & paper«) oder im Format der Mündlichprüfung schaffen Settings, in denen ein Zugriff auf Digitalität nicht möglich ist.
    Das ist deshalb unbefriedigend, weil viele Arbeitsformen nur in einem digitalen Kontext sinnvoll sind. In analogen Prüfungssituationen können dann nur Kompetenzfacetten getestet werden, die keine digitalen Anteile aufweisen oder bei denen Lernende dann spezifisch so tun müssen, als würden sie keine digitalen Hilfsmittel benutzen, obwohl das im Alltag der Fall ist.
  2. Überwachung und Kontrolle
    Dürfen Prüfungen an einem Computer geschrieben werden, so ist es denkbar, mit Tools wie dem Safe Exam Browser sicherzustellen, dass Lernende keinen oder nur eingeschränkten Netzzugriff haben, keine Programme einsetzen können etc. An sich ist das auch eine Beschränkung wie in 1.
    Diese Form der digitalen Kontrolle ist harmlos gegenüber Formen des Proctoring, bei denen aufgezeichnet wird, was Prüflinge während der Prüfung tun, um sicherzustellen, dass sie keine unerlaubten Hilfsmittel beanspruchen.
    Diese Formen der Einschränkung und Überwachung sind mit der Würde von Lernenden nicht vereinbar.
  3. Ungleichheit
    Die letzte der drei Möglichkeiten ist die Freigabe aller Hilfsmittel. Lernende können dann im 'open media'/'take home'-Format Prüfungen bearbeiten. Dabei ist klar, dass sie auf ganz unterschiedliche Ressourcen zugreifen können: Einige bekommen Hilfe von Fachpersonen, andere haben Zugriff auf kostenpflichtige KI-Tools, weitere haben gar keine solchen Möglichkeiten, sondern eine langsame Internetverbindung und schlechte Arbeitsbedingungen.
    Diese Offenheit führt also dazu, dass Leistungen verglichen werden, die unter ungleichen Bedingungen erbracht werden.

Diese Überlegung hat eine doppelte Pointe: Erstens ist all das nicht neu. Auch ohne Digitalität führen Prüfungen zu Beschränkungen, Überwachung und Ungleichheit. Das Trilemma gehört zum Format der Klausur, es lässt sich nicht davon trennen. Zweitens lässt sich das Problem nur lösen, wenn wir uns vom Format der isolierten Leistungsüberprüfung verabschieden. Das bedeutet insbesondere, dass die Vorstellung der Gleichheit von Leistungen, von Vergleichbarkeit, verabschiedet werden muss.

Schule muss Lernende dazu animieren, Leistungen zu erbringen, sich in verbindlichen Kontexten anzustrengen. Sie muss sie aber nicht bewerten. Sobald sie das tut, führt das zu unrealistischen Arbeitsbedingungen, Angriffen auf die Würde und Autonomie von Lernenden und zu Vergleichen von Ungleichem. Das ist die Einsicht, die sich aus dem Trilemma gewinnen lässt.

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