Das Dreistrang-Prinzip der schulischen Leistungserhebung

Letzte Woche habe ich in einem Vortrag gezeigt, weshalb für mich die Entwicklungsorientierte Bildung das entscheidende Paradigma für die Verbesserung von Schulen und schulischem Lernen darstellt. Vieles davon steht in meinem Buch. In der Vorbereitung auf den Vortrag habe ich bei Stalder und Arn das Dreistrang-Prinzip kennengelernt, das ich in meinem Unterricht schon länger befolge, ohne es unter diesem Namen gekannt zu haben.

Aus dem Prinzip lassen sich Einsichten über Aufgaben (dazu schreibe ich gerade einen längeren Artikel), Unterricht und auch Leistungserhebung ableiten. Besonders dieser letzte Aspekt ist deshalb interessant, weil er dazu geeignet ist, traditionelle Formen des Prüfens zu integrieren, statt sie abzulehnen.

Grundsätzlich geht die Entwicklungsorientierte Bildung von drei Dimensionen aus, die ineinander verschachtelt sind: Wissen enthält in der Bearbeitung von Problemen eine Bedeutung, wenn Lernende Kompetenzen aufbauen. Diese Kompetenzen sind dann sinnhaft und wertvoll für Menschen, wenn sie zu einem Entwicklungsprozess gehören, den diese reflektieren und wertschätzen können.

Die Idee der dreistrangigen Leistungserhebung geht nun davon aus, dass alle diese Dimensionen gleichzeitig vorhanden sind. Deshalb gibt es drei parallel laufende Formen von Verbindlichkeit, mit denen Lernende überprüfen können, wie ihr Lernstand ist:

  1. Lernzielkontrollen
    Hier wird der Wissenserwerb getestet. In sinnvollen Formen geschieht das möglichst selbstbestimmt und ohne Druck.
  2. Lernprodukte
    Lernende gestalten und erarbeiten etwas, was sie anderen zeigen können. Diese Produkte lassen sich an Gütekriterien messen, grundsätzlich merken aber Lernende meist selber, ob sie den Anforderungen entsprechen.
  3. Entwicklungsgespräche
    Lernende sprechen über ihre Lernprozesse und Entwicklungen. Sie sind eingeladen, zu reflektieren und Schlüsse zu ziehen, sich bewusst zu machen, wie ihr Lernen funktioniert und wie sie sich im Umgang mit Lernzielkontrollen und bei der Erarbeitung von Lernprodukten verhalten haben.

Wenn es Lehrpersonen gelingt, diese drei Stränge parallel am Laufen zu halten, dann kann eine Lernkultur entstehen, in denen auch wissensorientierte Tests einen Platz haben. Mich überzeugt das Konzept der Entwicklungsorientierung, weil es den entscheidenden Fokus auf den Menschen setzt, an dem sich die Wirksamkeit von Bildungsprozessen ablesen lässt, gleichzeitig aber etablierte Formen des Lernens und Unterrichtens nicht ablehnt, sondern sie leicht modifiziert und integriert.

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